Artistic Ruins

Ute Heims Arbeiten sind vielschichtig auf narrativer Ebene, vielseitig in Material und Medium: Mixed media ist der Grundstoff aus dem ihre Werke sind. Heim versteht es Text, Musik, Installation und Skulptur zu einem Gesamtbild, einem Großen Ganzen zu komponieren, bei dem auf den ersten Blick Nichts, bei genauem Hinsehen jedoch Alles ineinander greift. Sie verknüpft verschiedene Ebenen aus Autobiographischem, Kunsthistorischem, Komischem und Situativem. Dabei geht die Künstlerin stark auf die Besonderheiten eines jeden Raumes ein, in denen ihre Werke gezeigt werden. So entsteht immer ein neuer Dialog zwischen ihren Arbeiten und der Wahrnehmung des Betrachters.

Sehr eindrücklich gelingt dies in den Räumlichkeiten der Neuen Galerie Landshut: In ersten Stock zeigt Ute Heim Skulpturen aus der Werkserie „Artistic Ruins“ und greift damit eine bizarre Idee aus der Romantik auf, durch die künstliche Ruinen in Parkanlagen rekonstruiert und arrangiert wurden. Ein historisches Phänomen zur Verherrlichung romantischer Zustände, zur Überhöhung alter Bauwerke und zur Verklärung von Verfall.

„Genuine Planks“ und „A Genius’ Approach to Artistic Ruins“ sind die kleinen Wandarbeiten, in der diese Romantisierung ganz filigran umgesetzt wird.

Mit „Canvas Sky“ hingegen - den abgestellten, ruinenartigen Kulissenwänden – zeigt die Künstlerin die Absurdität dieser Idee mannshoch und zugleich subtil, in dem sie die zarte Ästhetik einfacher Baumaterialien zelebriert und Widersprüche formal aufgreift: Perforierte, handelsübliche Baumarktplatten, die ursprünglich als Rückwände von Schränken gedacht sind, werden zu altertümlichen, groben Oberflächen uminterpretiert. Preisschilder, Barcodes, Schrauben und Scharniere sind sichtbar anstatt dezent im Hintergrund zu verschwinden. Mit Anspielungen dieser Art schwingen der feine Humor, Wendigkeit und Komplexität durch die Arbeitswelt der Künstlerin.

Vieles davon vereint sich auch auf der simplen Fotografie mit dem Titel „An Interpretator’s Approach to Stages: Die Bühne.“ Eine Laienbühne, wie sie vielerorts in Deutschland zu finden ist, birgt alles was ein Theater braucht, um Geschichten zu erzählen. Alle eigenartigen Elemente spiegeln auch hier das Prinzip von De- und Rekonstruktion wider: Aus Altem wird Neues entworfen und in Widersprüchen werden Gemeinsamkeiten entdeckt. Idee und Material treffen als Gegensatz aufeinander und ergänzen sich dann doch auf eine sonderbare Art und Weise – das Weite im Kleinen, das Feinsinnige im Groben, die Harmonie im Fehlklang. Genau dieses subtile Zusammenspiel macht Ute Heims Gesamtwerk aus.

Sehen Sie hier unten außerdem den Film „Take me back to my boots and my saddle, Vol. 1 and II“ und den Druck „Das ideale Atelier:“ Eine Kollage von Zeichnung und Text, die den Beruf des Handwerkers stark heroisiert. So ist es oft Pathos oder Ideal, das die Künstlerin zu unterschiedlichen Interpretationen inspiriert.

Den zweiten Stock verwandelt Ute Heim mit der Konstruktion „gorgeous“ -Holzverhängungen aus Hartfaserplatten - zu einer Art Tropfsteinhöhle. Das Sperrholz scheint geradezu von der Decke zu fließen. In vielen Schichten drapiert sie die ausgesägten Platten wie Stoffbahnen und zeigt einmal mehr, wie Form und Material gegensätzlicher nicht eingesetzt werden können und doch ungewöhnlich gut zusammen passen.

Die Installation „Shanty,“ was mit Hütte UND Sauflied übersetzt werden kann, entstand direkt aus einem Liedtext – and the roof is touching the ground. Die Hütte repräsentiert einen Ort, zu dem die Sehnsucht zur old shanty town besungen wird; Heimweh zu einem Dorf, das verfallen ist, aber Wärme und Geborgenheit ausstrahlt. Aus dem silber glänzenden Dach, dessen Holzmaserung mit Graphitstift entstand, erklingt das Lied nah wie in ein Ohr gesungen und erzeugt das Gefühl von Nähe und Intimität. Die Künstlerin verbildlicht den Songtext, in dem sie geschickt mit der Dimension von Raum, Text und Klang spielt.
Ute Heim gelingt es also mit ihrer Kunst Bilder zu kreieren aus unserer oft dissonanten und widersprüchlichen Realität, in dem sie eigenwillig die verschiedenen Medien verknüpft: Den eigenen Gesang, Instrumentales, Performance, Text, Bild und Installation. Als genaue Beobachterin erkennt sie feine Unter – und Zwischentöne, deckt Verborgenes auf und arbeitet Unterschwelliges vielseitig heraus.

Marion Bierling, Februar 2015

(erschienen anlässlich der Ausstellung Artistic Ruins in der Neuen Galerie Landshut)